Macht, Empowerment und das
politische System
Die Begriffe "Empowerment" und "Entwicklung
von unten" sind in den letzten Jahren zu Modeworten geworden - und wie
alle Schlagworte und -wendungen haben sie einiges ihrer ursprünglich
radikalen Bedeutung verloren. Alle radikalen Ausdrücke, die in die
Alltagssprache übernommen werden, unterliegen diesem Prozeß,
einfach deshalb, weil die Worte im Endeffekt von der Öffentlichkeit
so benutzt und verstanden werden, wie sie die mächtigsten Menschen
in der Gesellschaft verstehen. Die Menschen, deren Meinungen man am meisten
zur Kenntnis nimmt - die am meisten gedruckt werden, die in den Medien
erscheinen, die offizielle Dokumente schreiben - sind die Menschen mit
der meisten Macht. Es braucht keiner Verschwörungstheorie, um zu erkennen,
daß in dem Maße, wie Worte, die aus dem Kreis radikaler Aktivisten
stammen und Zugang zur Öffentlichkeit finden, ihre radikale Bedeutung
verlieren - wie Banknoten, die von Hand zu Hand wandern und schließlich
ausbleichen. In jedem Stadium verlieren sie mehr von ihrer ursprünglich
radikalen Bedeutung. "Entwicklung von unten" und "Planen von unten nach
oben" und "Empowerment" waren Phrasen, die zuerst von Radikalen benutzt
wurden - und die von den Ansichten, Bedürfnissen und Fähigkeiten
der am meisten benachteiligten Gruppen in der Gesellschaft ausgingen. Am
Ende wird es einfach Terminologie, die die Art und Weise verhüllt,
wie Pläne der mächtigen Regierung und kommerzieller Gruppen legitimiert
werden.
Veränderungsprozesse selbst
managen
Um das meiste aus der Projektentwicklung
herauszuholen, müssen verarmte Gemeinden ihre eigene Fähigkeit
entwickeln, die Veränderungsprozesse zu managen - nicht nur Arbeit
für sie bereitzustellen. Das hängt von der Organisationsfähigkeit
der Gemeinden ab. Macht in der menschlichen Gesellschaft bedeutet nicht
nur, "Entscheidungen zu treffen", es bedeutet auch, initiativ werden und
durch die Initiativen zu sehen, wie der Zweck am besten erfüllt wird.
Das bedeutet für Individuen und Gemeinden gleichermaßen, ihre
Bedürfnisse zu klären und daraus Ziele, die diese befriedigen,
zu definieren, um dann den Veränderungsprozeß für sich
selbst zu planen, zu gestalten, durchzusetzen und zu überwachen.
Nur wenn man an allen Aspekten des
Prozesses beteiligt ist, d.h. an der Formulierung des Bedürfnisses,
der Definierung des Zwecks, der Planung, Gestaltung, Durchsetzung und Überwachung/Bewertung,
kann man sicherstellen, daß der Prozeß der Projektentwicklung
die eigenen Bedürfnisse befriedigt. Diese Einsicht bietet nicht "die
Lösung" für die sozialen und anderen Probleme, die aus der wachsenden
Ungleichheit entstehen. Sie definiert das Problem neu. Die Hauptarena für
grundlegende Veränderungen liegt nicht in Staat und Politik und wird
nicht durch sie erfolgen. Eher liegt sie in und durch die Entwicklung der
Fähigkeiten machtloser Menschen, ihre eigenen Ziele zu bestimmen und
die Projekte und Initiativen umzusetzen, die sie in die Lage versetzen,
ihre Probleme zu lösen.
Viele Individuen oder Gruppen, die
die Ungleichheit angehen, um soziale Veränderungen zu fördern,
sind der Ansicht, daß es das beste wäre, ihre Energie so zu
nutzen, daß sie Einfluß auf Mächtige nehmen oder an ihre
Stelle treten. Mit "Mächtigen" meine ich Menschen in ersten Positionen
in Politik und Business und bei der Leitung von Organisationen des Wohlfahrtsstaates.
Allgemein wird angenommen, daß diese Mächtigen von solchen mit
einem anderen Programm (politische Veränderung) ersetzt werden sollen
oder gezwungen - durch Gesetze, Steuerzahlungen oder sozialen Druck - sich
anders zu verhalten (Wirtschaftspolitik). Alternativ sollten sie gegenüber
Empfehlungen offener sein und den Forderungen ihrer Mitglieder besser entsprechen
(bei staatlichen Wohlfahrtsorganisationen).
In diesem Kapitel stelle ich fest,
daß sich für diejenigen, die am leichtesten verletzbar sind,
die Langzeitstrategie am meisten lohnt, weil sie, was die eingesetzte Arbeit,
Zeit und Energie angeht, sich auf lange Sicht als effektiver erweist. Dieses
liegt in der Selbstorganisation und dem Durchgehen aller Schritte - wie
Bestimmung des Bedürfnisses, Definierung des Zwecks und dann Entwicklung
der eigenen Projekte. Dieses soll die Nützlichkeit einer Intervention
auf politischem Gebiet oder die Beeinflussung der Wirtschaftspolitik oder
das Leiten von Wohlfahrtsorganisationen nicht abstreiten. Aber es soll
zeigen, daß die Ergebnisse von Anstrengungen oft dann am besten sind,
wenn man selber eingreift, die Initiative ergreift, um die eigenen Selbsthilfeorganisationen
weiterzuentwickeln. Die dazu nötigen Strategien sind die, die sich
dabei am besten machen, und die Strategien, die abgelegt werden sollten,
sind die, die den Prozeß der Entwicklung der eigenen Organisationen
behindern (wie das so viele Strategien tun.)
Beratung und Beteiligung - Ihr Kommentar
zu Deinen Plänen
Es ist nicht dasselbe, wie Machthabende
dazu zu bringen, für dich angemessenere Leistungen zu bringen. Es
geht darum, die Leistungen für dich selbst zu erbringen. Die ersten
Versuche nach Empowerment, die Reaktionen auf bestehende Verhältnisse
sind und die Forderung nach Änderung dieser sind oft Energie-Verschwendung.
Nach dem ersten Aufschrecken darüber, daß die Patienten jetzt
eine Stimme bekommen haben und überhaupt nicht dankbar sind, beruhigen
sich die Leiter von sozialen Wohlfahrtsorganisationen wieder. Denn sie
erkennen, sie haben dadurch, daß sie "den Nutzern ihrer Dienste eine
Stimme geben", nichts zu befürchten. Sie entdecken, daß sie
die Äußerungen ihrer Kunden, die sich artikulieren können
und in ihrer Sprache auf die geplanten Leistungen reagieren, ignorieren
können, wenn sie etwas Grundlegendes sagen (mit Statements wie "wir
haben nicht genügend Mittel" oder "das wird nicht gehen") oder daß
ihre schwierigsten Kunden zur Mitarbeit bewegt werden können, indem
man ihnen Jobs gibt, "um die Beratung zu erleichtern". Später kann
man ja kosmetische Zugeständnisse machen.
Beratung und Beteiligung sind gewöhnlich
die üblichen Methoden, mit denen Machtzentren auf andere Menschen
Einfluß nehmen - aber es sind in der Regel Versuche, andere dazu
zu benutzen, die Prioritäten und Pläne der Machtzentren selbst
bei eigenen Initiativen zu unterstützen. Beratung und Beteiligung
sind in der Regel nur relevant für das Empowerment, wenn sie ein Vehikel
zum Transport der Pläne und Projekte machtloser Gemeinschaften in
Machtzentren darstellen - anderenfalls erhält man für den Aufwand
an Kraft und Energie oft nichts zurück. Sie geben nur "Vertretern",
die bereits in Machtstrukturen hineingewachsen sind, sich darin wohlfühlen
und die Verbindung zu ihren Wurzeln verloren haben, den Anschein, daß
Verbesserungen stattfinden.
Im allgemeinen sind politische und
andere Institutionen nicht in der Lage, Dinge von einer anderen Perspektive
als der eigenen aus zu sehen. Das Wort "Empowerment" wird immer mehr in
der zahmen und zahnlosen Bedeutung von "Beteiligung" und "Teilnahme" verstanden
- wobei diese beiden Wort wirklich meinen: deine Beteiligung in unserer
Organisation, an unseren Plänen, in unserem Rathaus, in unseren Sitzungsräumen;
was du zu dem, was wir denken, zu sagen hast, ist wichtig; du hast den
Spielraum für kleine Veränderungen dessen, was wir tun wollen,
egal was du sagst, denn wir wissen, was für dich das beste ist, weil
wir die Experten sind; deine Legitimierung unserer "Herrschaftsentscheidungen";
deine Teilnahme - sei der Anlaß auch noch so gering - an "Partnerschaftstreffen",
um dem Aspekt der Gemeinschaftsbeteiligung an unserer wundervollen Bewerbung
um Stadtplanungsgelder Glaubwürdigkeit zu verleihen. Manchmal haben
Machthaber die gute Absicht, machtlose Menschen einzubeziehen, aber in
vielen Fällen lohnen "Teilnahme" und "Beteiligung" den Aufwand nicht.
Sogar bei Seminaren mit Beratern und Offiziellen über den Charakter
von Empowerment von unten nach oben wirst du feststellen, daß ihr
nächster Schritt sein wird, eine Maschinerie in Gang zu setzen, in
der sie wieder bestimmen, wo es langgeht.
Es ist bekannt, daß das Interesse
und die Beteiligung an Wahlkampagnen oder anderen politischen Aktivitäten
bei den sozial schwachen Gruppen gering ist. Die Programme der politischen
Parteien und die Fernsehdiskussionen werden als nicht relevant genug empfunden.
Das Problem kann so lange nicht gut angesprochen werden, wie die Gruppen
nicht mit eigenen kalkulierten Vorschlägen an die Tür schlagen,
Vorschlägen, zu denen es bereits in kleinem Rahmen Pilotversuche gibt
und die relevanter, billiger und besser sind als die traditionellen Einrichtungen,
die von hochbezahlten Leuten geleitet werden, und ihre Leistungen, An diesem
Punkt wird Empowerment real, ein Wettbewerb von gegensätzlichen Prioritäten
in der Praxis, nicht eine sterile Legitimierung bestehender Pläne.
Daß dies nicht unmöglich ist, wurde anhand der Projekte im vorigen
Kapitel dargestellt.
Menschen ohne Macht in Wohngebieten
des sozialen und wirtschaftlichen Niedergangs und der Armut definieren
in der Regel weder ihre eigenen Bedürfnisse noch setzen sie sich selbst
Ziele - sie werden für sie gesetzt. Empowerment als Prozeß bedeutet
daher, daß die Gemeinwesen in diesen Gebieten sich aus Situationen,
wo die Bedürfnisse für sie definiert werden, in Situationen begeben,
wo sie eigene Wünsche und Ziele bestimmen. Die Ausmaße dieses
Prozesses sind: 1. Gewinnung von Klarheit über eigenes Wollen zusammen
mit einer Erweiterung des Horizonts und dem Wahrnehmen von Möglichkeiten;
2. Erlernen von Fertigkeiten, 3. Wachsendes Selbstvertrauen; 4. Mehr verfügbare
Energie (Ressourcen).
Entfernte und nahe Macht
Die Ziele, die die Menschen anstreben,
werden von den Umständen bestimmt. Machtlose Menschen und Gruppen
haben meistens nahe Macht - die Fähigkeit, unmittelbare Lebensumstände
zu beeinflussen: die Möblierung ihrer Wohnungen, begrenzte Entscheidungsmöglichkeiten,
wie sie ihre magere Kaufkraft einsetzen können, mit welchen Freunden
sie Zeit verbringen und wie sie in zwischenmenschlichen Beziehungen in
einem bestimmten Wohnumfeld oder einem sozialen Netz aktiv werden. Im Gegensatz
dazu sind machtvolle Menschen in Institutionen tätig, die ferne Macht
haben - d.h. die Fähigkeit, die Kontexte zu bestimmen, in denen andere
tätig sind. In Bezug auf politische Macht bedeutet das die Fähigkeit,
Einfluß auf Dinge wie Zinssätze, Prioritäten bei den öffentlichen
Ausgaben, Prioritäten bei Finanzierungsprogrammen, gesetzliche Rahmenbedingungen,
Regelungen für Mindeststandards beim Gesundheits- und Arbeitsschutz,
bei Gebäuden usw. zu haben. (Die Termini nahe und entfernte Macht
habe ich von David Smail "The origins of Unhappiness" Harper Collins 1993
genommen.)
Aus der Sicht der Menschen, die empowered
sind, bedeutet Empowerment drei Dinge:
1.Die wachsende Fähigkeit, mit
dem System klarzukommen - d.h. sich zurechtzufinden und die Strukturen
der entfernten Macht für eigene Ziele zu nutzen und/oder
2. Die Fähigkeit, einzugreifen
und die Strukturen der entfernten Macht so zu verändern, daß
sie für eigene Ziele passender sind und/oder
3. Die wachsende Fähigkeit, die
eigenen Ziele unabhängig von den Strukturen der entfernten Macht zu
entwickeln. (Entwicklung von Bewußtsein, Fertigkeiten und Ressourcen,
die nicht von Dingen abhängig sind, die den Strukturen sozialer Autorität
entnommen worden sind - die Entwicklung der Fähigkeit, eigene, ungenutzte
Energie zu eigenen Zwecken zu nutzen.) Das sind Prozesse, die genährt,
ermutigt und unterstützt werden müssen.
Empowerment kann daher als etwas verstanden
werden, das Machtlosigkeit korrigiert. Es ist nicht dasselbe wie eine weitere
Akkumulation von Macht durch bereits machtvolle Individuen oder soziale
Institutionen. Empowerment wird im allgemeinen aus der Sicht von Personen
oder Institutionen betrachtet, die bereits Macht besitzen und beschreiben,
was diese Personen oder Institutionen für andere tun - dabei wird
vorausgesetzt, daß der aktiv im Prozeß des Empowerments Handelnde
derjenige ist, der bereits Macht besitzt. Diese Person oder Institution
"gibt Macht weg", "delegiert Macht" oder "befähigt andere". Empowerment
von Gemeinwesen auf diese Art und Weise zu sehen bringt uns im Verständnis
seiner Hauptprobleme und Dynamik nicht weiter.
Empowerment von Gemeinwesen
Die Dinge sehen anders aus, wenn man
sich selbst " empowered, und wieder anders, wenn man sich in einem kollektiven
Prozeß befindet, der das Empowerment eines Gemeinwesens betrifft,
dessen Teil man ist. (Von einer Position der Mehrfach-Benachteiligung,
der Mehrfach-Entrechtung oder des "Ausgeschlossenseins" aus.) Wenn man
Empowerment aus diesem Blickwinkel betrachtet, kann es definiert werden
als die wachsende Fähigkeit, Ziele zu verfolgen, die man für
sich selbst oder das Gemeinwesen definiert, in Übereinstimmung mit
eigenen oder Bedürfnissen des Gemeinwesens, in den eigenen Verhältnissen
oder denen des Gemeinwesens. Diese wachsende Fähigkeit entspringt
aus wachsenden Fertigkeiten, mehr verfügbarer Energie (Ressourcen)
und entsprechendem Wachstum des Selbstbewußtseins.
Wie hier gemeint, ist die Ermächtigung
von Gemeinwesen eine Möglichkeit, Orte, die sich in einer Krise zu
befinden, wieder zu entwickeln. Sie basiert auf der Theorie von Macht und
Ermächtigung (Empowerment). Dies kann kurz zusammengefaßt werden,
indem man sagt, daß Machtbeziehungen zwischen Menschen zeitliche,
wirtschaftliche, soziale, zwischenmenschliche, emotionale kognitive und
umweltliche Dimensionen haben - alle müssen in einem wirklich ganzheitlichen
Konzept der lokalen Entwicklung berücksichtigt werden. Machtlose Menschen
sind Menschen, die in einer begrenzten physischen Umgebung leben, die räumlich
und sozial von den Orten der entfernten Macht abgeschnitten sind, die nicht
"gut verbunden" sind; als Konsumenten weniger Kaufkraft haben und keine
für unternehmerische oder investive Vorhaben; die wenig Fertigkeiten
und Ressourcen haben, die von Machtstrukturen belohnt werden; und die oft
emotional und kognitiv durch ihre Machtlosigkeit verkrüppelt sind
- nicht zuletzt auch in emotionalen Entgleisungen (Sündenbock suchen)
gegenüber noch schwächeren machtlosen Gruppen (Sexismus, Rassismus,
Kindesmißbrauch usw.) Die Menschen ganz unten werden zu destruktivem
und selbstzerstörerischem Verhalten getrieben, weil sie keine anerkannte
Position finden, die von Menschen und Institutionen in wirtschaftlichen
und politischen Machtzentren belohnt wird. (Solche Zentren können
beides sein, Organisationen und Orte, sie sind sowohl soziale als auch
lokale Räume, wo Entscheidungen getroffen werden, aus denen Vorteile
für Machthaber erwachsen, während die Nachteile und Kosten an
anderen Orten von anderen Menschen gespürt werden.)
Empowerment von Gemeinwesen ist ein
Prozeß, in dem ein relativ machtloses Gemeinwesen Ziele für
sich selbst formuliert und dann einen Prozeß organisiert, der die
Planung, Gestaltung, Umsetzung und Kontrolle der Resultate einschließt.
Nachdem einmal ein Katalysator hineingebracht wurde, der den Prozeß
der Entwicklung des Gemeinwesens ausgelöst hat und die Menschen die
Möglichkeiten erkennen und sie zusammenarbeiten läßt, beginnt
das Gemeinwesen fähig zu werden, in Prozesse der Strategiebestimmung
zugunsten eigener Ziele einzugreifen. Die Initiative geht aus den Händen
der lokalen Größen in die Hände neuer Mitspieler über.
Die Erweiterung des Horizonts als
ein EMPOWERMENT-Komponent
Den Horizont von Menschen zu erweitern
ist im Prozeß der Neudefinition von Zielen lebensnotwendig. Teilweise
schließt es mit ein, den Menschen bei der Wiederentdeckung ihrer
Geschichte zu helfen und dem Bewußtsein dafür, das die Menschen
ihre Umwelt schaffen und daß sie ihre eigene wieder neu schaffen
können.
Es umfaßt kulturelle Intervention
genau wie Demonstrationsprojekte. Ebenso muß es das Organisieren
von Reisen einschließen, um zu sehen, was anderswo geschaffen wurde.
Eine auf Örtlichkeiten basierende Strategie sollte keine engstirnige
Parochialstrategie sein - eher das Gegenteil. Reisen bildet wirklich. Obwohl
die hier beschriebenen Prozesse sich damit befassen, sich in Richtung größere
Selbständigkeit und Autarkie bei materiellen Bedürfnissen auf
lokaler Ebene zu bewegen - durch weniger Großtransporte und tägliche
Fahrzeiten zur Arbeit - so sollte doch in Bezug auf die emotionalen und
intellektuellen Bedürfnisse der Menschen die gegensätzliche Tendenz
verfolgt werden. In dieser Hinsicht sprechen wir über persönliches
Wachstum, indem Menschen geholfen wird, durch Einbindung in die nationale
und internationale Gesellschaft zu ganzen Staatsbürgern zu werden.
Das ist lebenswichtig, nicht nur wegen der Inspiration durch Beispielprojekte
anderswo und der Weiterverbreitung guter Praktiken, sondern auch, um destruktive
Vorbehalte und negative Vorurteile über andere abzubauen, die sich
in sozialen und wirtschaftlichen Krisenzeiten zu vervielfachen scheinen,
wo die Menschen nach Sündenböcken suchen.
Die Planungsprozesse von Gemeinwesen,
um allgemeine Ziele und Projekte zu entwickeln, inspiriert von Dingen,
die anderorts passieren, müssen an die Kenntnisse der Menschen von
ihrem eigenen Umfeld und ihren eigenen Bedürfnissen angepaßt
werden und müssen sich in Sprache und Orientierungssystemen der Menschen
vollziehen. Die Menschen müssen in der Lage sein, die Dinge auszusprechen,
ohne von der Sprache und dem Jargon der Profis eingeschüchtert zu
sein. Die Neighbourhood Initiative Foundation z.B. hat Techniken entwickelt,
die Nachbarschaftsmodelle nutzen, an denen Dinge spielerisch dargestellt
und geplant werden können - so daß verbale Ausdrucksfähigkeit
keine Voraussetzung für eine Mitarbeit ist.
EMPOWERMENT: Räumliche Dimensionen
Für viele benachteiligte Gesellschaftssegmente
ist Empowerment mit einer räumlichen Dimension der Art, daß
Menschen in ihrer lebendigen Umwelt aktiv sein und diese verändern
können, von höchster Relevanz. Für Behinderte z.B. ist die
Gestaltung ihrer bebauten und kultivierten Umwelt von zentraler Bedeutung
für ihre Mobilität, ihre Möglichkeiten und ihre Sicherheit.
Strategien für Betreuungsprojekte in der Gemeinde wären in einem
Umfeld, das die Menschen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse befähigt,
viel erfolgreicher (ebenso wie Rehabilitationsprojekte für eine lokale
Integration).
Bei vielen Minderheiten (andere Nationalität
o.ä.) findet man oft Fähigkeiten, die bei der Wieder-Entwicklung
von Gemeinwesen wichtig sind. Da sie aus Gesellschaften der Dritten Welt
kommen, haben sie oft bäuerliche Fertigkeiten - sehr nützlich
für die Entwicklung grüner Städte. (Obwohl gesagt werden
muß, daß bäuerliche Fertigkeiten oft niedrig eingeschätzt
werden; bevorzugt und mehr anerkannt werden eine Tätigkeit im Handel
oder Verkauf oder das Erklimmen der Karriereleiter - als ein Weg in die
Kultur des Wirtslandes.)
Weil der Lebensschwerpunkt von Frauenleben
viel mehr auf Heim und Wohnumfeld gerichtet ist, waren Frauen von jeher
aktiver an der Entwicklung von Initiativen in Wohnumfeld und Nachbarschaften
beteiligt. Unbestritten spielen sie eine führende Rolle bei der ganzheitlichen
Entwicklung, indem sie dem Prozeß den Stempel ihrer eigenen Bedürfnisse
aufdrücken - Bedürfnisse, die bei orthodoxen Entwicklungsansätzen
vernachlässigt werden.
Eng mit der Empowerment von Frauen
ist die räumliche Wiederentwicklung von des Wohnumfelds verbunden,
und dieses kann Möglichkeiten für die enorme Förderung von
Kindern in der Gesellschaft bieten.
Empowerment von Kindern
Wir haben bereits dargestellt, daß
erneuerbare Entwicklung eine Art von Gleichheit zwischen den Generationen
einschließt, wenn es darum geht, die Erde an die nächsten Generationen
in so gutem Zustand weiterzugeben, wie wir sie erhielten. (Und dort besteht
bereits die große Aufgabe, die schon verursachten Schäden wiedergutzumachen.)
Wenn unser Planet weiter existieren wird, könnten Kindern, die jetzt
geboren werden, darauf hoffen, mindestens bis zum Jahr 2070 zu leben. Wenn
diese Kindern überleben sollen, werden sie die bisher größten
Umstrukturierungen in der Weltgesellschaft und -wirtschaft tragen müssen,
weil, wie wir gezeigt haben, es nicht die Entscheidungen, die in einigen
wenigen Machtzentren getroffen werden, sein werden, die die Art Mensch
retten werden, sondern eine große Veränderungen im Leben jedes
einzelnen Menschen. Es ist undenkbar, daß die Kinder dazu in der
Lage sein werden, wenn wir weiterhin an sozial typischen Arten der Kindererziehung
in einer brutalisierenden Umwelt festhalten.
Kinder sind die am wenigsten eigenmächigste
soziale Gruppe. Disempowerment in der Kindheit schafft auf lange Sicht
Persönlichkeiten, die nicht leicht mit Empowerment umgehen können
- d.h. das Selbstbewußtsein und die Lernfähigkeit haben, konstruktiv
in neue und ungewohnte Aktivitäten und Settings hineinzugehen. Kindesmißbrauch
gehört nicht nur zu den spektakulärsten Fällen von Grausamkeit,
die in Berichten der Sozialarbeiter auftauchen, sondern es wird auch als
selbstverständlich angenommen, daß die Probleme der Erwachsenen
Priorität gegenüber den der Kinder haben. Wo die Gefühle
von Kindern ständig übergangen werden, wachsen sie ohne das Selbstbewußtsein
und die Fähigkeit auf, ihre eigenen Bedürfnisse zu bestimmen
und ihrem eigenen inneren Fahrplan zu folgen.
Lebensbedingungen, die zu einem Überbeschützen
der Kinder führen oder die Eltern zu frustriertem und ärgerlichen
Verhalten führen, das von ihren Kindern aufgesaugt wird, ist ebenso
schädlich. Sie neigen dazu, Persönlichkeitsstrukturen zu entwickeln,
die im späteren Leben entweder passiv (nicht selbstbewußt) und/oder
autoritär/konventionell (abhängig davon, ob der andere stärker
oder schwächer ist als man selbst) sind. Andere Kinder, die Opfer
von Elterngewalt wurden, wachsen als Rückfällige auf - ärgerlich,
voller Groll und Mißtrauen. (Ihnen ist nicht damit geholfen, daß
professionelle Helfer, die ihre aus der Kindheit stammenden Gefühle
von Kleinheit und Minderwertigkeit auflösen, sich auf Kosten ihrer
Patienten groß fühlen.) (Alice Miller "The Untouched Key", Tracing
Childhood Trauma in Creativity and Destructiveness, New York, Doubleday
1990. John Hold, "How Children Fail", Penguin, 1982. Eine Beschreibung
des psychischen Auswirkungen repressiver Kindererziehung in einem ehemals
kommunistischen Land ist nachzulesen in Hans Joachim Maaz "Der Gefühlsstau.
Ein Psychogramm der DDR" Knaur Verlag, 1992, S. 31-40.)
Solche Probleme können natürlich
nicht mit einer Massentherapie behandelt werden. Bei Gemeinwesen-Empowerment
kann auf lange Sicht den Kontext und die Mittel zur Lösung dieser
Probleme bieten. Dabei müssen Menschen selbstbewußt, aber kooperativ
für sich selber eintreten und miteinander arbeiten können. Im
Kontext eines Selbstbewußtseinstraining können Menschen beginnen
zu lernen - durch Reflexion eigner Erfahrungen - wie schädlich einige
Arten der Kindererziehung sein können. Dazu können Einrichtungen
zur Kinderbetreuung (insbesondere für Alleinerziehende) Druck von
den Müttern nehmen, der so oft auf den Kindern ausgeschüttet
wird, die wiederum die Frustration der Eltern aufsaugen.
Eine ganzheitliche Entwicklung bedeutet
die Förderung der Erkenntnis, daß Menschen ein Recht haben,
Räume so zu gestalten, daß sie für Beziehungen gesund sind
(wie oben beschrieben). Je mehr diese Ideen Allgemeingut werden, desto
leichter wird es für Menschen, über ihr emotionales Leben ohne
Therapie zu reflektieren, auf eine Art und Weise, daß die Beziehungen
zwischen den Menschen weniger störend und weniger darauf gerichtet
sind, wer wen kontrolliert. Es wird helfen, Gemeinwesen und Familien zu
entwickeln, wo Menschen den Raum haben, ihren eigenen Gefühlen zu
folgen und ihr eigener Mensch zu werden anstatt Subjekt kleinlicher Streitereien
und Machtrivalitäten, wenn sie ihre Frustrationen, erwachsen aus den
engen und frustrierenden Bedingungen, in denen sie gezwungen sind zu leben,
gegeneinander richten. (Brian Davey "Mental Health and the Environment",
Care in Place, Bd. 1 Nr. 2, Juni 1994)
Das bedeutet: eine kinderfreundliche
Umgebung - mit Sicherheitsvorkehrungen in der , und Orte, wo die Kinder
ihr eigenes Leben entwickeln können, wenn sie älter werden, weg
von zu starker Überwachung und Einmischung der Eltern. Ein besonders
wichtiges Thema ist der wachsende Einfluß des Verkehrs auf das Leben
von Kindern. Es ist bekannt, daß Asthma, das ein Ergebnis der vom
Verkehr hervorgerufenen Luftverschmutzung ist, derzeit ein schweres Problem
für Kinder ist. Dazu zeigt die Forschung, daß durch das steigende
Verkehrsaufkommen die Freiheit von Kindern (und ihren Eltern) drastisch
eingeschränkt wurde. Dokumentiert ist das z.B. in einer Publikation
des Instituts für Politikstudien "Children, Transport and the Quality
of Life", die zeigt, daß 1971 noch 80 % der Sieben- und Achtjährigen
allein zur Schule gingen, wobei dies heute nur noch 9 % der Kinder dürfen.
Mehr als 80 % der Kinder besitzen ein Fahrrad, doch nur 2 % fahren mit
ihm zur Schule. Das Institut argumentiert, daß all dies die physische
Entwicklung von Kindern behindert, da ihnen die Möglichkeit verwehrt
wird, täglich etwas für ihre Gesundheit zu tun, indem sie allein
zu Fuß oder auf dem Fahrrad zur Schule kommen - "mit dem Ergebnis,
daß die große Mehrheit die empfohlenen Herzwerte bei medizinischen
Fitneßtests nicht erreicht und daher in späterem Alter anfälliger
für schwere Krankheiten sein wird." Dazu "erhalten Kinder zu wenig
Freiheit von der Leine der Eltern, die ihnen erlaubt, Fähigkeiten
wie das Fertigwerden mit unbekannten Situationen, Selbst- und Identitätsbewußtsein
und das Übernehmen von Verantwortung zu lernen sowie ihren Geist kreativ
zu nutzen - alles Grundelemente psychischer Gesundheit." Der Lebensstil
der Eltern wird eingeschränkt, und das tägliche Bringen zur und
Holen von der Schule leistet einen erheblichen Beitrag zur Verkehrsfülle
zu den Stoßzeiten. "Die wirtschaftlichen Kosten, die das Begleiten
von Kindern zur Schule verursacht, wird vom Verkehrsministerium nach seinen
Bewertungsmethoden auf zwischen 10 und 20 Milliarden Pfund jährlich
geschätzt. ("Children, Transport and the Quality of Life", Policy
Studies Institute Nr. 716, Mayer Hillman (Hrsg.) London 1994)
Für Empowerment, das auch wirklich
die Kinder einschließt, sind Projekte für Kinder und Jugendliche
nötig. Das ist eine Herausforderung, der sich einige Erwachsene angenommen
haben. Als ich beispielsweise in Dessau angestellt war, arbeiteten zwei
Bauhaus-Kollegen mit noch kleinen Kindern daran, ihre Ideen zu Umweltthemen,
in diesem Fall in Bezug auf die vorhandenen Flußsysteme, darzulegen.
Es gibt Projektbeispiele, deren Zweck es ist, Kinder an der Planung ihrer
Umgebung zu beteiligen. (Apel, P. "Stadtplanung für und mit Kindern"
in: IBA Inspektion von unten, Initiativkreis Emscherregion e.V. IBA von
unten 1994 S. 96-99). Natürlich sind damit Methoden gemeint, die weniger
auf schriftlicher Darlegung beruhen als Modelle und visuelle Techniken
nutzen. Es hat sich herausgestellt, daß Kinder, die bei schriftlichen
Arbeiten in der Schule nicht gut sind, sehr enthusiastisch auf obengenannte
Methoden reagieren, mit denen sie ihren Lebensraum entdecken und spielerisch
planen können. Tony Gibsons "Planning for the Real" Technik entsprang
ursprünglich aus der Erfahrung der Arbeit mit Kindern und jungen Leuten
bei einer "Lebensraum"-Planungsaufgabe dieser Art. (Tony Gibson "The Power
in our Hands", Jon Carpenter publishers, 1996).
Eine weitere Möglichkeit, Kritikfähigkeit
bei jungen Menschen zu entwickeln, ist, sie mit der Videokamera vertraut
zu machen, damit sie zeigen können, was sie an ihrer Umgebung mögen
und was nicht und was geändert werden sollte.
Veränderung der entfernten
Machtstrukturen und ihrer Methoden, um Empowerment zu unterstützen
Die Machtlosen mit Macht auszustatten
- als ein integraler Aspekt der Wiederentwicklung von Orten in der Krise,
ist ein historischer Prozeß, keine neue, moderne Option der Politik.
Dazu sind eine eigene, in der Praxis geborene Theorie und die Erfahrung
machtloser Gruppen nötig (nicht geboren in den Köpfen von Universitätsprofessoren
oder aus professionellen Ausbildungsmaterialien entnommen). Die Lernbeziehung
muß umgekehrt werden.
Wenn Empowerment die Ausstattung der
Machtlosen mit Macht bedeutet, sollte Priorität sein, das letzte zuerst
zu machen - d.h. bei geförderten Projekten einen Schritt davon wegzugehen,
was finanziell profitabel ist. Den Bedürfnissen der Machtlosesten
wird oft kein Vorrang eingeräumt, weil sie nicht als wirtschaftliche
Notwendigkeiten angesehen werden, wo nur das wichtig ist, was wirtschaftlich
ist. Am einfachsten beginnt man mit dem Empowerment auf einer Basis, die
die Leute kennen, und auf Gebieten, auf denen ihr Leben am stärksten
eingeschränkt sind: das eigene Zuhause, Kinderbetreuung, Haushalt
und Umgebung. Das trifft sich mit der Notwendigkeit, Jobs und Möglichkeiten
in unmittelbarer Nähe zu schaffen, um Ziele herum, die gewöhnlich
als sozial- und umweltbezogen betrachtet werden.
Verbündete im Empowerment-Prozeß
- ihre Beziehung zu den politischen Strukturen
Katalysatoren bei der sozialen Veränderung
sind die, die dem Prozeß der sozialen Veränderung durch beschleunigende
praktische Initiativen helfen, weil Empowerment nicht ohne die Hilfe von
Verbündeten vor sich gehen wird. Dabei werden verschiedene Arten von
Verbündeten benötigt. Für diejenigen, die sich bereits in
verschiedenen politischen Hierarchien befinden und die an einer Veränderung
der Sozialpolitik interessiert sind, mag es keinen Sinn machen, ihre Positionen
aufzugeben, sondern eher Wert darauf zu legen, die in diesem Buch beschriebenen
Veränderungsprozesse durch adäquate politische Unterstützung
zu fördern. Für andere jedoch, die sich vielleicht gerade am
Beginn ihrer Arbeit für soziale Veränderungen befinden, bedeutet
das vielleicht erst einmal langes Nachdenken, bevor sie Zeit und Energie
in die Politik stecken. So sehr man die Unterstützung von Politik-Machern
auch begrüßen möchte, es gibt gute Gründe dafür,
sehr skeptisch gegenüber dem zu sein, was man wirklich "ganz oben"
erreichen kann.
Dem Plädoyer für Empowerment
in dem hier beschriebenen Sinne unterliegt ein Skeptizismus darüber,
wie viel eigentlich "in Machtpositionen" ohne eine gutorganisierte Bewegung
praktischer Initiativen im Hintergrund erreicht werden kann. So eine Bewegung
von Projekten ist zunächst nur im Embryonalstadium, so daß es
wichtig ist, es auf der Erde zu bauen. "An der Spitze" wird man gehemmt
von einem Netz wohlerworbener Interessen: der Trägheit etablierter
institutioneller Prozeduren, der lähmenden Wirkung, mit Menschen auskommen
zu müssen und psychologisch in sozialen Kreisen zu überleben,
in denen Menschen ganz anders denken, von der Logik, die der Wettbewerbsmarkt
tendenziell der Politik auferlegt. Das Erklimmen von Machthierarchien ist
so zeitraubend, daß man dann, wenn man an der Spitze ist, alle ursprünglichen
Beweggründe, die einen motiviert haben, sie zu erklimmen, abgelegt
hat, außer der üblichen Illusion, daß man Dinge besser
als andere tun kann.
Viel besser ist es, nach der Macht
des Einflusses zu streben als nach der Macht der Stellung. Die Macht des
Einflusses ergibt sich nur insofern, als man etwas Wichtiges zu sagen hat.
Das kommt nur vor, wenn man etwas Entscheidendes erreicht hat. Und wirklich
ist es so, wenn man bewiesen hat, daß eine Idee, die man gemeinsam
mit anderen Menschen erarbeitet hat, im richtigen Leben funktioniert, verbreitet
sie sich schließlich selbst. Wirklich wichtige Gedanken müssen
nicht mit Aufwand unter die Menschen gebracht werden. Indem man sich für
die Macht des Einflusses und nicht für die Macht der Position entscheidet,
beugt es der co-optiven Tendenz von Machtstrukturen vor, aus machtlosen
Gruppen gerade die Leute, die Verbündete im Empowerment-Prozeß
bleiben könnten, zu entfernen. Sie werden räumlich und sozial
von den Menschen getrennt, für deren Bedürfnisse sie zuerst eintreten,
wenn sie sich in politische Strukturen begeben oder institutionelle Hierarchien
erklimmen. Was gebraucht wird, sind Menschen, die es ablehnen, den Machtklubs
beizutreten, die immer in der "Opposition" bleiben und/oder an der Seite
des Empowerments von Gruppen stehen, die in der Gesellschaft ganz hinten
sind. Diese Gruppen brauchen Hilfe, die das theoretische und praktische
Herangehen an Empowerment, umfassend unterstützt. Die Aktivsten müssen
dies soweit wie möglich lernen, indem sie dies durch eigene Projektentwicklungen
soweit praktisch möglich, tun.
Trittbrettfahren als aktive Bürgerhaltung
in der Politik
Dies bedeutet, politische Strukturen
zu beeinflussen, wenn man ein konkretes Projekt oder einen speziellen Fall
erreichen will, aber darüber zunächst sehr gut nachzudenken,
bevor man dafür Zeit damit verbringt. Die Fähigkeit zur Einflußnahme
beruht auf dem Grad der Organisation, der Triebkraft und Schlagkraft der
Projektorganisation, die man zusammen mit anderen Menschen erarbeitet hat.
Sie ist abhängig von der Relevanz, die die Projekte, an deren Entwicklung
man mitgewirkt hat, für das Alltagsleben der Menschen haben. Natürlich
können diejenigen, die sich bereits in einflußreichen politischen
Positionen befinden, hilfreich sein, wenn sie wirklich in einer Position
sind, die Empowerment-Prozesse erleichtern und möglich machen können.
Das Problem ist, das dies oft nicht der Fall ist. Oft haben sie keine wirkliche
Verbindung zu Projekten, die von machtlosen Menschen entwickelt worden
sind. Gewöhnlich verstehen sie sie nicht oder nicht, worum es geht.
Sie scheinen viel mehr daran interessiert zu sein, mit mächtigen Wirtschaftsinteressen
gutzutun.
Einfluß zu erhalten würde
normalerweise für dich und dein Projekt bedeuten, zuerst gelegentlich
und dann immer systematischer, auf dem Rücksitz der politischen Machtfahrzeuge
mitzufahren. Reiche und machtvolle Menschen haben immer dazu tendiert,
den Beifahrersitz einzunehmen. Wenn Politiker fahren, handeln sie als Steuerleute
und sagen, in welche Richtung sich die Dinge bewegen sollen. Was hier vorgeschlagen
wird, ist, daß die Mitfahrer auf dem Rücksitz, die immer nur
zu Fahrten mitgenommen wurden, allmählich mit ihren Plänen und
ausgewählten Routen herauskommen und die Fahrzeuge der lokalen und
dann nationalen staatlichen Organisationen immer mehr für eigene Zwecke
nutzen.
In der Vergangenheit haben Politiker,
ihre ausgewählten Berater und Machtmenschen in den sozialen Netzwerken
und Klubs der Wirtschaftsmacht Staatspolitik gemacht. Ihr Anspruch auf
Macht und Autorität scheint mit dem Anspruch gekoppelt zu sein, es
besser zu wissen. Wenn Politiker nicht länger als die Hauptinitiatoren
von Veränderungsprozessen gesehen werden, scheint es ihren Hauptgrund,
warum sie dort sind, teilweise zu delegitimisieren. Sie waren doch immerzu
im Parlament und auf dem Fernsehschirm zu sehen - als Beweis dafür,
daß sie wissen, was getan werden muß.
Aber in der modernen Welt sind alle
neuen Ideen viel mehr Produkte kollektiver Denkprozesse als die Schöpfungen
einzelner Individuen. Es ist ganz normal für Parteien, auf Think-Tanks
und Berater zurückzugreifen. Minister und Lokalpolitiker haben sich
bei der Formulierung und Darstellung ihrer Politik immer stark auf ihre
Mitarbeiter verlassen. Es gibt immer mehr Ideen dazu, wie "Regierungsgewalt"
auf "Unparteiische" übertragen werden kann, d.h. andere Menschen,
nicht nur Politiker, in eine Welle von Entscheidungen, die die Lokalregierung
einschließt, einzubeziehen. Das Problem scheint darin zu bestehen,
daß nur Vertreter großer Institutionen, Wirtschaftsinteressen
und starke Einzelkämpfer in diesen Prozeß einbezogen werden.
Wofür hier argumentiert wird, ist die Akzentuierung einer Prozesses
im Embryonalstadium, wobei machtlose Menschen Politik entwerfen sollten,
um ihre eigenen Initiativen zu fördern - anstatt ihre Zeit damit zu
verbringen, für sie und zu ihnen gemachte Initiativen zu kommentieren,
da dies ihre sehr begrenzten Ressourcen hin zu Zielen lenkt, die ihrer
eigenen Position nicht förderlich sind.
In Anmerkungen zu einem früheren
Entwurf dieses Buches schrieb mir Tony Gibson, daß er mit meinen
Anschauungen zum "Trittbrettfahren" nicht übereinstimme, weil "es
eine Befriedigung dabei gibt, Entscheidungen zu treffen, und nicht nur
Luft in Richtung einer anderen Person zu blasen". Ich stimme dem zu. Aber
das bedeutet, daß die Empowerment-Verbündeten am besten dazu
eingesetzt werden, den Aufbau von Organisationen zu unterstützen,
in denen machtlose Menschen Entscheidungen treffen, die Relevanz für
ihr eigenes Leben besitzen, als diese aufzugeben, um Zeit in politischen
Institutionen zu verbringen, deren Hauptziel es ist, soziale und Wirtschaftsbeziehungen
für und mit Menschen zu verwalten, in deren Händen die Wirtschaft
liegt.
Es ist eine Frage des effektivsten
Zeiteinsatzes. Dieses hängt teilweise von dir und deinen Ausgangspositionen
ab, von denen aus du Räume, Orte und Organisationen schaffen willst,
in denen verletzliche Menschen Entscheidungen treffen können. Allgemeine
Rezepte dazu, was jeder tut kann, sind nicht hilfreich. Die alte Linke
favorisierte immer wieder Parteilinien, denen alle folgen sollten und die
ihre Führer erdacht hatten. In der modernen Welt müssen Individuen
für sich selbst darüber nachdenken, welchen Beitrag sie für
mehr soziale Gerechtigkeit und eine Verbesserung der Umwelt leisten können.
Dabei wird anerkannt, daß wir alle verschieden und unterschiedliche
Ausgangspositionen haben, unter verschiedenen Lebensbedingungen leben und
unterschiedliche Beiträge leisten. Für einige Empowerment-Verbündete
wird es Sinn machen, Intitiativen zu definierten Zielen an politische Institutionen
zu richten, wenn es die Mühe lohnt. Bei wohlgesinnten Beamten und
Politikern, die bereits in diesen Institutionen sind, kann es vielleicht
Sinn machen, in diesen zu bleiben und zu sehen, was sie tun können.
Aber die, die neue politische Positionen suchen, um die hier beschriebenen
Ziele zu erreichen, sollten lange und intensiv nachdenken. Politische Macht
zu erhalten kann bedeuten, die meiste Zeit damit zu verbringen, den Status
Quo zu verwalten, den man vorfindet, wenn man ankommt; anstatt alle wertvolle
Energie auf Veränderungsprozesse zu konzentrieren.
Wenn Empowerment sich von individuellen
Projekten hin zu Netzwerken bewegt, und noch weiter bis zur Fähigkeit,
auf lokaler und nationaler Ebene Einfluß auf ermächtigende Projektinitiativen
zu gewinnen, wurde ein großer Schritt nach vorn gemacht, aber es
gibt auch in diesem Stadium Gefahren. Der Prozeß wird ernst, wenn
er das Stadium erreicht, wo es um Teile des Staatsbudgets geht, die für
Lösungen der Selbst- und der gegenseitigen Hilfe für Sozial-
und Umweltprobleme eingesetzt werden sollen. Noch ernster wird es, wenn
traditionelle Einrichtungen so umstrukturiert werden, daß Ressourcen
für ermächtigende Projekte freiwerden. Das mag auch bedeuten,
im Gleichklang mit den staatlichen Planungs- und Finanzzyklen zu arbeiten
und zum richtigen Zeitpunkt einzugreifen - mit gut vorbereiteten Paketen
zum Ende des Finanzjahres Geld aus zu üppig ausgestatteten Budgets
zu entnehmen oder aus Budgets, wo Menschen in den Ruhestand gehen. Obwohl
solche Winkelzüge nicht von gerade entstehenden Gruppen getan werden
können, könnte das doch ein paar Jahre später - mit wohlwollenden
Politikern und Verantwortlichen - Wirklichkeit werden.
Projekte der Bürgerselbsthilfe
und der gegenseitigen Hilfe sind lebenswichtig für die wirtschaftliche,
soziale und Umgestaltung der Umwelt. An Stelle eines Privatsektors und
eines paternalistischen Staatssektors werden freiwillige und gemeinnützige
Sektoren bei der Entwicklung der Gesellschaft eine zentrale Rolle spielen.
Solche Umwandlungen werden stattfinden müssen, wenn wir kollektiv
darangehen wollen, unsere Lebensumwelt im notwendigen Maß wirklich
zu verändern; und dies wird zeigen, wie wir Demokratie verstehen.
In dem Maß, wie Menschen ihre praktischen Projekte entwickeln, wird
ihre Organisationsfähigkeit umgewandelt werden. Aber aktive Staatsbürgerschaft
bedeutet neue Arten von Konflikten.
Einige Probleme der Zusammenarbeit
mit "Ihnen"
Leider gibt es unter denen, die viel
von einer Veränderung der Gesellschaft "von oben nach unten" halten,
immer noch die vorherrschende Tendenz, daß Vorstellungen wie diese,
wenn sie in die Reorganisation der institutionellen Maschinerie der Entscheidungsfindung
einfließen, andere Bedeutungen bekommen: neue Worte beschreiben die
hergebrachten Arbeitsweisen. Oder Angestellte in Spezialabteilungen erhalten
mehr Verantwortung, nur wegen ihrer Spezialausbildung und dem bürokratischen
Eigeninteresse ihrer Abteilungen. Doch sie können mit den neuen Aufgaben
und den Basisgruppen, mit denen sie arbeiten müssen, nicht umgehen.
(Wie es in Leipzig der Fall war, wo europäische Mittel für eine
ökologische Restrukturierung im Leipziger Ostaraum-Projekt von den
Gruppen, die sie ursprünglich beantragt hatten, an die ABM-Behörde
der Stadt gingen.)
Wenn Politiker und Mitarbeiter auf
den Empowerment-Gedanken stoßen, ist mein Eindruck, daß sie
oft mehr Wert auf Strukturen als auf Prozesse legen. Was ich damit meine,
ist, daß sie ein Büro mit Angestellten einrichten wollen, um
den Gedanken Wirklichkeit werden zu lassen. Hingegen, wenn man Empowerment
als einen Prozeß von unten nach oben betrachtet, bedeutet das, das
die Menschen ihre eigenen Initiativen entwickeln und bestimmen und sich
selbst organisieren. Wenn man es von oben anpackt, bedeutet das das Einsetzen
einer institutionellen Maschinerie. Für die Leute, die den Job bekommen
haben, alles zu organisieren, heißt das, um glaubwürdig zu sein,
alle Beteiligten oft genug zu Meetings zusammenzubekommen. Je mehr Beteiligte
an den Treffen teilnehmen, desto besser, denn die Mitarbeiter und Politiker
bekommen dann das Gefühl, das ihr neues "Beteiligungsmodell" funktioniert
und gerechtfertigt ist. Immer mehr Teams werden gegründet, die Berichte
produzieren und Marktforschungsübungen betreiben. Viele Mitarbeiter
sind davon überzeugt, daß die mutige neue Welt, wie in den Business-Schulen
gelehrt, nur wenig modifiziert "in das Gemeinwesen" übernommen werden
kann.
In einem Problem-Gebiet, das verfällt,
ist das Büro voller Manager. Sie halten Meetings ab und planen. Im
nächsten Jahr revidieren sie ihre Pläne. Sie stehlen die besten
Ideen von den aktivsten Leuten im Stadtteil, und diejenigen ohne eigene
Ideen steigen noch eine Position auf - in einer anderen Stadt - bis jemand
erkennt, das sie nichts erreicht haben; sie haben nur in den Regalen des
Büros Kisten voll von unverteilten PR-Materialien über ihre eigenen
Leistungen hinterlassen.
Laß' sie Machbarkeitsstudien
verschlingen
Manchmal wird es nötig, sogar
unvermeidbar sein, sich im Konflikt mit 'Ihnen', d.h. den Machtstrukturen
zu befinden. Das mag sich daraus ergeben, wer Entscheidungen trifft, 'wir'
oder 'sie'. Eines der häufigsten Machtkennzeichen ist die Fähigkeit,
machtlose Menschen zu ignorieren. Egal ,wie hart du daran arbeitest, daß
sie deine Petition oder Kampagne unterstützen, egal, wie vernünftig
du in einem Schreiben deinen Standpunkt darlegst, egal, wie konstruktiv
dein Projektvorschlag ist, er verschwindet im Papierkorb, ungelesen. Deine
Gedanken können nicht unterstützt werden, weil da nicht genug
Zeit oder Geld ist, sagen sie (d.h. wir haben schon entschieden, wie Zeit
und Geld zugeteilt werden sollen, und dein Anliegen ist unwichtiger als
unser).
Manchmal muß man eine ganze
Menge Lärm machen und Staub aufwirbeln, um überhaupt bemerkt
zu werden und Dinge in Gang zu setzen. Das hat seine Risiken, wenn man
sich nicht gut genug artikulieren kann, aber wenn man geschickt mit Worten
umgehen kann, kann es sich auszahlen. Natürlich muß man vorsichtig
darangehen, damit es sich auszahlen kann, denn es kann riskant sein. Man
kann mißverstanden, falsch vertreten oder immer noch ignoriert werden.
Wenn man frustriert und ärgerlich wird, wird man als unvernünftig
dargestellt - "Vernunft" ist die Sicherheit, daß die offizielle Tagesordnung
richtig ist. Wenn man wirklich sehr ärgerlich wird, wird man als Extremist
eingestuft - oder die Emotionen werden als Beweis dafür gesehen, daß
dein Standpunkt nicht ausgewogen ist, nicht objektiv, irrational oder sogar
psychopathisch. Noch schlimmer, es gibt auch hinterlistige Aktionen - die
Gruppe von Mietern, die die schlechtesten Wohnbedingungen hatte und sich
erfolgreich dafür eingesetzt hatte, daß etwas passierte, entdeckte
Jahre später, daß es kein Zufall war, daß sie die Letzten
waren, die umziehen durften. (Ich kenne Menschen, mit denen so umgegangen
wurde.)
Daher mag ein Konflikt als zeitweilige
(und riskante) Taktik nötig sein, damit man bemerkt wird. Aber es
mag noch andere Gründe für den Konflikt geben. Örtliche
Machtorgane werden manchmal - wie auch nationale und internationale - von
ziemlich paranoiden Menschen geleitet. Unter manchen Umständen werden
Zeichen autonomer Aktivität attackiert, oder es wird der Versuch gemacht,
sie zu übernehmen. Der Versuch der Übernahme kann von Menschen
gemacht werden, die die Führung haben wollen, und das Positive daran,
daß ein Wagen einmal ins Rollen gebracht wurde, besteht darin, daß
der nachfolgende Prozeß oft geläutert wird. Manchmal ist das
eine sehr bewußte und überlegte Sache, manchmal ist die "Übernahme
durch sie" nur die Art und Weise, wie die Dinge in unserer Gesellschaft
funktionieren. (Nachdem man sich jahrelang in der Wildnis herumschlägt,
um etwas in Gang zu setzen, wird es das Thema von Konferenzen, für
deren Teilnahme man 699,13 Pfund (einschl. MWSt.) zu zahlen hat, was man
sich nicht leisten kann - obwohl diese Konferenzen sich selbst als "für
alle aktiv Beteiligten ... gestaltet" anpreisen. Menschen ohne Geld sind
damit nicht Teil von "allen". Als ich jung war, wurden Konferenzen, an
denen wirklich jeder teilnehmen konnte, in der Kirche abgehalten. Die Leute
schliefen auf dem Fußboden in den Wohnungen der Organisatoren oder
ihrer Freunde, und aus einem großen Topf, in den jeder einzahlte,
wurden die Fahrtkosten erstattet. Aber in der Ära nach Thatcher ist
jede Konferenz ein Alibi für kostenloses Essen, ein paar Tage Urlaub
in einem feinen Hotel mit Riesenspiegeln im Bad und einem leichten Brummen
der Klimaanlage die ganze Nacht hindurch.)
Wir müssen also akzeptieren,
daß "sie" ihre eigenen Ziele verfolgen, manchmal bösartig, grausam
und korrupt sind. Wo es keine Wahl gibt, und wo es einen Gewinn verspricht
und nicht völlig sinnlos ist, können Konfliktstrategien für
"uns" gegen "sie" manchmal eine Option sein, die nicht zu vermeiden ist.
"Sie" in unserem Umfeld und in bei der lokalen Entwicklung wird in einigen
Fällen ein Machtklub sein; mit privaten Vermietern vom Stil Rachmanns;
Wucherer; Entwicklungsarbeiter, die bei der Entwicklung der lokalen Landnutzung
auf das Geld schielen und sich nicht einen Deut um die Bewohner scheren;
Fabrikanlagen in der Nähe, die die Luft verschmutzen und ihre toxischen
Abfälle in deinen Garten pusten; Polizisten, die mit den Drogendealern
ein Stillhalteabkommen geschlossen haben; Mitarbeiter, die sich ein Empire
geschaffen haben, das die Stadtratsmitglieder nicht richtig durchschauen
und daher nicht richtig kontrollieren können ... oder vielleicht,
in nicht mehr langer Zeit, sogar Labour-Abgeordnete, die sich in ihren
Sesseln wohl fühlen und keine wirkliche Opposition mehr sind, die
die Hand aufhalten im Gegenzug für Information und Hilfe bei Business-Sachen.
Wenn der Konflikt unvermeidbar ist
Dies ist nur allzu vertraute Realität
der lokalen (wie auch nationalen und internationalen) Politik, und in solchen
Situationen kann der "Konflikt" kaum vermieden werden. Das bedeutet nicht,
daß er durch Waffengebrauch ausgetragen werden muß, sondern
durch die Verbreitung von Wissen und Gedankengut, die die Machthaber radikal
diskreditieren, wenn sie dies verdienen. Praktisch alle Machthaber arbeiten
mit dem Anspruch, am besten zu wissen, was im Interesse anderer Menschen
ist - und in mancherlei Hinsicht moralisch oder intellektuell allen anderen
überlegen zu sein. Die einzige Möglichkeit, den Anspruch auf
moralische Überlegenheit zu rechtfertigen, ist, darauf vorbereitet
zu sein, für sich selbst zu akzeptieren, was man anderen auferlegen
würde. Und doch nehmen machtvolle Menschen in der Regel an, daß
sie irgendwie größer und wichtiger als alle anderen wären.
Beim Verfolgen ihrer eigenen Vorteile erlegen diese Menschen anderen Bedingungen
auf, die sie sich nicht selbst auferlegen würden.
Intellektuelle Überlegenheit
kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn man offen bleibt, die Fähigkeit
demonstriert, seine Meinung ändern zu können, weiter zu lernen,
die Grenzen seiner Gedanken zu akzeptieren, bereit zu sein, auf alle Details
eines anderen Standpunkts einzugehen. Bösartige Machthaber würden
eher zur Zensur greifen, andere Meinungen ignorieren oder PR-Berater engagieren.
Einige Komplikationen - "Für"
oder "gegen" Politik
Also gibt es immer noch einen Bedarf
an Kampagnen und defensiver Politik gegenüber den bösartigen
und schädlichen Entscheidungen von Machtstrukturen. Viele Organisationen
von und für machtlose Menschen entstehen als ihr Mittel zum Protest;
sie kommen zusammen, um größere Verhandlungsstärke zu erreichen
und sich mit Verbündeten für einen besseren Kampf innerhalb von
oder gegen private oder staatliche Institutionen zu arrangieren. Nach einer
Weile erkennen einige die Beschränkungen des Nur-Reagierens darauf,
was andere tun und möchten zeigen können, wie die Dinge besser
gemacht werden könnten. Sie entwickeln pro-aktive Projekte, manchmal
bleiben Werbeaktivitäten und nachfolgende pro-aktive Projekte eins,
manchmal entwickeln sie sich separat. Weltveränderung braucht beides
- Kampagnen führen und protestieren - und zeigen, wie es anders gemacht
werden kann. Leider passen die beiden Ansätze zur sozialen Veränderung
nicht immer gut zusammen. Kommerzielle Interessen oder Staatseinrichtungen
unter Druck stecken gerne Geld in eine gute PR-Tätigkeit. Die Industriemultis,
die die Umwelt in vielen Ländern ruiniert haben, bieten sich als eine
Hauptgeldquelle für Projekte an, die die Umwelt verbessern wollen.
Inzwischen bietet der Staat finanzielle Unterstützung von bis zu 50
% an - mit dem Ziel, neue Projekte dazu zu bekommen, Deals mit dem Privatsekteror
zu machen. Projektentwickler, die Geld brauchen, werden in die Arme von
Umweltverschmutzer getrieben, die ihr Image "vergrünen" wollen.Die
Gefahr dabei ist, daß die reaktiven Kampagnenführer von den
pro-aktiven Projektentwicklern unterminiert werden.
Fast unvermeidlich ist es, wenn man
Projekte wie diese entwickeln will, daß man zu irgendeiner Zeit mit
Politikern, Offiziellen und Politik-Machern einen Deal machen muß.
Das ist natürlich nicht schlecht, wenn es das eigene Projekt voranbringt.
In dem Maß, wie man erfahrener und mächtiger wird, gibt es Politiker
und Mitarbeiter, die Integrität besitzen, mit denen es sich sehr wohl
lohnt, eng zusammenzuarbeiten. Sie suchen auch nach einem Weg nach vorn
- das Problem ist, daß Politiker und Offizielle oft eigene Ziele
haben. Oft möchten sie ihr Herangehen, ihre Initiative legitimiert
sehen und sich einen Namen machen, wenn sie versuchen, sich auf den schlüpfrigen
Weg nach oben zu begeben. Es gibt immer Politiker und Offizielle, die sich
daher immer einen Namen machen möchten. Sie streben entweder danach,
die unabhängigen Projekte eigennützig ihren eigenen Zielen unterzuordnen
oder stehlen die Ideen von Projektentwicklern, verändern sie und geben
sie als eigene aus, womit sie gültige Gedanken in politische Fußbälle
verwandeln.
Es wäre falsch, nur Negatives
zu sehen. Wenn die Gruppe größer und erfahrener wird, wird sie
herausfinden, daß ihnen die Türen geöffnet werden. Es gibt
Politiker und Offizielle, die bereit sind, zuzuhören und zu helfen.
In den unteren Hierarchien der lokalen Politik und höher hinauf sind
die Menschen bereit, Risiken einzugehen, gegen Ungerechtigkeit zu Felde
zu ziehen, Fördergelder zu gewähren. Es sind kommerzielle Interessen,
die Geld geben, mit nur wenigen Beschränkungen. Hingegen ist es nahezu
unmöglich, etwas zu beginnen, wenn man strikt auf Konfrontationskurs
fährt. Durch die Machthierarchien hindurch ist es so, daß es
Manager und Politik-Macher gibt, die das Potential neuer Ansichten erkennen
und/oder sich dessen bewußt sind, daß nicht alles in ihrer
Organisation in Ordnung ist. Sie erkennen die Notwendigkeit von Innovation
und riskieren, radikale Gruppen und Innovatoren zu unterstützen.
Lokale und nationale Rahmenbedingungen
von Politik
Wenn die "Leiter von oben nach unten"
von diesen Mitarbeitern und Politikern, die die Empowerment-Leiter von
unten nach oben unterstützen, funktioniert, dann muß sie eine
Leiter unterstützender Rahmenbedingungen sein, von Regelungen zu Fördergeldern,
rechtlicher und technischer Unterstützung usw., die den Empowerment-Prozeß
für machtlose Menschen unterstützt, ohne den Prozeß zu
übernehmen. Was dies für die Lokalpolitik bedeutet, wird später
diskutiert. Bei der nationalen und internationalen Politik ist das Hauptproblem,
daß die Politik-Macher auf den privatwirtschaftlichen Sektor fixiert
sind, auf den Markt und den Wettbewerb und die Beschäftigungszahlen.
Wenn man Strategien zu Entwicklungsformen Priorität gibt, die größtenteils
außerhalb des Markts arbeiten, bedeutet das, daß größere
Korrekturen an den allgemeinen Weisheiten der Politik vorgenommen werden
müßten. Die besten Ausgangspunkte wären wahrscheinlich
außerhalb der Gesundheis- und Sozialpolitik - was ihnen einen größeren
Rahmen gibt, der bis hin zur Entwicklung von Stadtteilen und Gemeinwesen
reicht.
Am Anfang können kleine Projekte
noch mit sehr wenig Geld entwickelt werden. Mit dem Schwerpunkt auf Wohnung
und Garten. Die Nutzung von recycelten Materialien (weggeworfen oder gebraucht)
und die Mitarbeit von Menschen mit nichtmateriellen Motiven bringt die
Kosten unvermeidlich nach unten. Die Initiatoren ziehen es in der Regel
vor, sich in einer billigen, selbstgebauten Hütte zu treffen als in
einem Millionen-Pfund-Prestige-Objekt. Gewissermaßen können
die politischen Strukturen dazu beitragen, eine symbiotische Beziehung
mit den traditionellen Einrichtungen einzugehen. Wenn man nicht für
eine neue Werkstatt bezahlen muß, sondern sie von einem staatlichen
Gesundheitszentrum für einige Stunden mieten kann, dann kann man wirklich
sehr billig arbeiten. Der Staat würde in diesem Fall den Großteil
der Kosten tragen.
Projekte können daher innerhalb
oder am Rand des Traditionellen wachsen, aber schließlich wird der
Punkt erreicht, wo man um kleine Geldmengen miteinander konkurriert. Es
ist sehr bitter, wenn man nachgewiesen hat, daß eine Idee funktioniert,
und - wenn sie auch nur sehr billig ist, und die Menschen genau dies umsetzen
wollen - daß man nur eine sehr geringe Chance hat, öffentliche
Mittel dafür zu bekommen. Man schaut in die traditionellen Einrichtungen
und sieht, wie Mittel für Dinge, die nur wenig oder kaum Nutzen für
benachteiligte Menschen haben, verschwendet werden und man dennoch keinen
Zugang zu ihnen bekommen kann. Dies ist ein Konfliktpotential, dem man
ins Auge schauen muß.
Dilemmata bei der Finanzierung
- um das eine zu finanzieren, muß dem anderen Geld entzogen werden
Der Dritte Sektor kann nur auf sehr
wenige Förderprogramme zählen, die wirklich mit dem konform gehen,
was erreicht werden soll. Wenn Fördergelder vorhanden sind, sind die
oft nur zu Bedingungen zu haben, die die Ziele und die Langzeit-Lebensfähigkeit
der Projekte unterminieren. In Großbritannien wird Geld für
Sozialprojekte in der Regel für drei Jahre bewilligt. Die Förderung
für diese Arbeit ist oft nur für kurze Zeit - in der Regel drei
Jahre. Der Gedanke, der sich dahinter verbirgt, ist der, daß man
es schafft, ins traditionelle System hineinzukommen. Aber das würde
voraussetzen, daß die Mittel der öffentlichen Hand wachsen würden,
die man dann bekommen könnte. Diese Zeiten sind vorbei. Selbst wenn
man seine Innovation nachweisen kann, wird man sich in drei Jahren noch
immer nach einer Fortsetzung der Finanzierung umsehen müssen. Eine
Bedingung dafür, Geld zu bekommen, ist die, daß man am Ende
der Finanzierungsperiode nicht wieder bei der öffentlichen Hand um
Förderung nachfragt - man muß eine "Ausstiegsstrategie" haben.
Aber, ehrlich gesagt, wenn man aus
vorhandenen Budgets Geld in Empowerment-Projekte steckt, muß man
es anderswo entziehen. Wenn Dingen innerhalb einer öffentlichen Institution
Geld entzogen wird, um es anderswo in der gleichen Einrichtung einzusetzen,
wird es oft möglich, daß Angestellte in diesem Prozeß
zu diesem Projekt überwechseln, so daß keine Arbeitslosen entstehen.
Wenn jedoch Fördergelder von einer Organisation an eine andere übergehen,
vom staatlichen zum dritten Sektor oder zu Gemeinde-Organisationen, sind
die Dinge nicht so einfach.
Ressourcen gewinnen, ohne Empowerment
zu unterminieren
Dafür gibt es verschiedene Wege,
aber keine idealen Lösungen. Personal kann aus dem staatlichen Bereich
abgezogen werden - ganz oder teilweise - jedoch, je mehr ein Transfer von
Mitteln die Form eines Abziehens von Personal annimmt, desto weniger behält
die Empowerment-Organisation ihren ursprünglichen Sinn und Arbeitsstil
und desto mehr ist sie in den staatlichen Sektor integriert. Man kann Mittel
transferieren, aber verliert dann sein Grundprinzip.
Natürlich werden immer wieder
Menschen im Arbeitsprozeß überflüssig. Wenn Leute aus ihrem
Job in Rente gehen oder eine neue Arbeit annehmen, wird es manchmal möglich,
darüber nachzudenken, ob das, was sie gemacht haben, in anderer Form
gemacht werden kann. Es ist nicht unmöglich, über Wege nachzudenken,
in denen freigewordene Fördergelder ohne zuviel Schmerz oder Konflikt
an Empowerment-Projekte gehen könnten. Leider gehen Dinge oft daneben.
Ein Beispiel aus Nottingham gibt uns
einen Vorgeschmack auf derartige Probleme. Obwohl ich sie nicht als "eine
Empowerment-Organisation" beschreiben möchte, die gemeinnützige
Organisation "Family First" unterhält ein ambulantes Zentrum für
psychische Gesundheit namens "Miscellany", die viele Züge von "good
practice" hat. Das Personal dort ist nicht professionell ausgebildet und
es haben sich im Laufe der Zeit persönliche Freundschaftsbeziehungen
zwischen ihnen und den Nutzern des Zentrums herausgebildet. Das ist es,
was die Nutzer wollen - nicht als "Fälle" behandelt zu werden. Dies
hat sich jedoch zu ändern begonnen. Die Manager von "Family First"
haben einen Vertrag mit dem Leiter des offiziellen Rehabilitationsdienstes
für Psychische Gesundheit geschlossen. Das "Miscellany" Tages-Zentrum
wird mit einem anderen staatlichen Tages-Zentrum unter der Leitung von
"Family First" zusammengelegt.
Aber der Transfer der Mittel aus dem
staatlichen Bereich heraus hat enorm viel gekostet. Die Nutzer lehnten
die Zusammenlegung ab, aber sie wurde trotzdem vollzogen. Jetzt hat das
Personal von "Miscellany" begonnen, ihre Freunde als "Fälle" zu betrachten
- z.B. hinter ihrem Rücken "Risikoeinschätzungen" vorzunehmen.
Der Transfer von Mitteln aus bestehenden Einrichtungen ist keine Lösung,
wenn gleichzeitig das eisige klinische Arbeitsklima, das so schädlich
ist und dem man ja entkommen will, transferiert wird.
Zusammenarbeit mit den traditionellen
Einrichtungen ist nicht immer sinnlos. Mein eigenes Projekt hat eine sehr
gute und fruchtbare Zusammenarbeit mit einem anderen "offiziellen" Tageszentrum
für psychische Gesundheit - aber wir behalten unsere Unabhängigkeit
und unseren eigenen Arbeitsstil. Wir haben nicht versucht, mit ihnen zusammenzukommen.
Die offiziellen Förderungsmöglichkeiten
- die korrodierende Wirkung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
Eine weitere Möglichkeit, Personal
finanziert zu bekommen, ist über sogenannte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
(ABM). Jedoch erwachsen aus diesen staatlich geförderten Programmen
sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland große Dilemmata.
Man kann nicht durch Förderprogramme mächtig werden, die sehr
kurz sind und die nur als kurzzeitiger Notbehelf zur Überbrückung
der Probleme auf dem Arbeitsmarkt angesehen werden.
Die Priorität des Staates ist
dabei die Schaffung von Beschäftigung im Privatsektor, und die Schaffung
von Jobs wird als eine zeitweilige Maßnahme angesehen, um die Menschen
im Arbeitsprozeß zu halten und den sozialen Streß, den die
Arbeitslosigkeit mit sich bringt, zu erleichtern. Weiterhin, und von der
Regierung noch am wenigsten anerkannt, ist, daß solche Programme
einige soziale, kulturelle und gemeinschaftliche Anstöße bringen,
die sonst nicht gegeben werden würden. Aber es gibt keine Bereitschaft
zu akzeptieren, daß staatliche Gelder - außer als in nur sehr
kleinem Umfang - ständig auf einen anderen Arbeitsmarkt, der sich
auf die sozialen, kulturellen und gemeinschaftlichen Bedürfnisse konzentriert,
fließen sollten.
Finanzierungsstrategien, die entmächtigen
Während ABM-Projekte am Anfang,
insbesondere gleich nach der deutschen Wiedervereinigung, relativ großzügig
bedacht wurden, ist der gegenwärtige Trend, sie mehr und mehr zurückzufahren.
Wenn eine Nationalökonomie auf dem Weltmarkt konkurrieren muß,
so die Theorie, dann muß es den Wohlhabenden erlaubt sein, noch reicher
zu werden. Sonst nehmen sie ihr Geld, ihre Investitionen und Jobs woanders
hin. Daher ist es nötig, die "Last" von Besteuerung, Beiträgen
zur Sozialversicherung und hohen Zinssätzen (durch ein zu hohes Staatsdefizit)
von den Schultern dieser reichen Menschen zu nehmen.
In Großbritannien wurden die
Leute in den ersten ABM-Projekten der 70er Jahre noch real für ihre
Arbeit bezahlt, arbeiteten Vollzeit und in manchen Fällen zwei Jahre.
Später sanken die Sätze dafür, in den Projekten wurde Teilzeit
gearbeitet, und am Ende wurde Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld nur durch
einen Festbetrag aufgestockt, der Fahrtkosten und Extraausgaben für
die Arbeit decken sollte. Jetzt werden Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
Pflicht für Langzeitarbeitslose.
Am Anfang sind die Organisationen,
die ABM nutzten, vielleicht von sozialem oder Umwelt-Gedankengut und Idealen
ausgegangen. Nach einigen Jahren stellten jedoch festangestellte Mitarbeiter
fest, daß auf die Menschen vom Arbeitsamt Druck ausgeübt wurde,
solche ABM-Jobs anzunehmen. Organisationen mit Idealen werden Einrichtungen,
die jeden dafür nehmen, nichts zu machen. Ihr radikaler gemeinnütziger
Status wurde durch den eisigen Effekt der Arbeitsmarktpolitik unterhöhlt.
Ein gutes Beispiel aus Deutschland,
das die Gefahren der Zusammenarbeit mit offiziellen Einrichtungen zeigt,
kommt aus Leipzig. EU-Geld konnte für ein Modellprojekt zur ökologischen
Restrukturierung eines Stadtteils erhalten werden. Die Projektentwickler
bildeten eine Bündnis verschiedener Basisorganisationen und waren
sich von Anfang an dessen bewußt, daß ein Hauptproblem bei
der ökologischen Umgestaltung des Gebiets die verschiedenen Zuständigkeiten
der einzelnen Abteilungen der Stadtverwaltung war. Sie versuchten, dieses
Problem anzugehen, aber die EU-Gelder gingen an die Abteilung der Stadtverwaltung,
die für ABM-Projekte zuständig war. Diese Abteilung behielt einen
Großteil des Geldes für sich und eigene Programme. Das sorgfältig
aufgebaute Bündnis brach auseinander. (Eckhart Hahn und Michael LaFond
"Local Agenda 21 and Ecological Urban Restructuring. A European Model Project
in Leipzig", hrsg. von Science Centre, Berlin, 1997)
Kann man denn daran glauben, daß
überhaupt etwas Nützliches getan werden kann? Es ist sehr schwer,
die Hoffnung nicht zu verlieren. In Großbritannien verbindet die
Regierung von New Labour Aspekte des Umweltschutzes mit dem der Arbeitslosigkeit,
indem Menschen gezwungen werden, an sozialen und Umweltschutzprojekten
mitzuarbeiten, nachdem sie ein paar Monate arbeitslos gewesen waren. Das
hat bereits begonnen und wird den Umweltschutzgedanken unterhöhlen.
Es ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie Staatspolitik dazu neigt,
das Potential des gemeinnützigen Sektors zu korrodieren. Der Gedanke,
daß man die Menschen dabei unterstützen könnte, sich selbst
zu befreien und selbst zu helfen, ist ihnen noch nicht einmal gekommen.
Wenn man feststellt, ausgenutzt
worden zu sein
Leider hat Selbsthilfe Gefahren für
uns. Es kann wirklich sehr negativ und überhaupt nicht hilfreich sein,
wenn sie als Synonym dafür benutzt wird, daß man von verletzbaren
Menschen, die ohne finanzielle Mittel oder weitere Hilfe sind und die verzweifelt
versuchen, mit den chaotischen Lebensbedingungen - vor allem durch die
Wirtschaftsstrategien der Großen der Gesellschaft verursacht - erwartet,
daß sie sich selbst an den Haaren aus dem Schlamm ziehen. Selbsthilfe
kann zu der billigen Option werden, die ein Zurückfahren anderer Hilfsdienste
legitimiert.
Projektentwickler wie ich müssen
eine Gesundheitswarnung an diejenigen herausgeben, die in unsere Fußstapfen
treten wollen. Das Wort Empowerment kann jeglicher wirklicher Bedeutung
beraubt werden. Der Versuch, Selbsthilfeprojekte angesichts offizieller
Gleichgültigkeit oder Feindseligkeit zu entwickeln, ist ein ständiger
Kampf. Wenn es weder Mittel noch Hilfe gibt, passiert automatisch, daß,
wenn man möchte, das etwas passiert, man es selber macht - unentgeltlich.
Am Ende arbeitet man immer mehr - für nichts; so lange, bis das ganze
Leben nichts mehr ist außer einem Berg von Verpflichtungen. Wenn
man von dem Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit motiviert wird und von dem
Ärger darüber, wie die Gesellschaft funktioniert, wird man vielleicht
am Ende in einem grausamen Paradox gefangen. Vielleicht bist du niemand,
den Geld motiviert, aber die Zeit, die du der Projektarbeit widmest, kann
in den Raum eindringen, der deinem eigenen Leben gehören sollte. Weil
die meisten Menschen von Gier motiviert werden, werden Menschen mit altruistischen
Idealen oft ausgenutzt. Je mehr sie geben, desto mehr nehmen andere.
In einer deutschen Wirtschaftsstudie
sozialer Unternehmen und Selbsthilfeprojekte beschreiben Karl Birkhölzer
und Günter Lorenz das Problem genau:
"Ehrenamtliche Tätigkeit ist
in allen Selbsthilfeprojekten weit verbreitet, ebenso in den Leitungsgremien
der Beschäftigungsgesellschaften.
Dennoch hat sie immer häufiger
den Charakter von unfreiwillig unbezahlter Arbeit, wenn mangelndes Grundkapital
durch Eigenarbeit zu überbrücken ist oder Finanzierungslücken
entstehen, weil die Einnahmen nicht ausreichen. Nicht selten verbleiben
Mitarbeiter - aus Mangel an Alternativen - auch dann in "ihren" Unternehmen,
wenn keine Fördermöglichkeiten mehr bestehen." (Karl Birkhölzer
und Günter Lorenz "Der Beitrag sozialer Unternehmen zur Arbeitsbeschaffung.
Der Bereich personenbezogener Dienstleistungen. Hrsg. von Interdisziplinäre
Forschungsgruppe Lokale Ökonomie an der Technischen Universität
Berlin. Berlin 1997 S. 18)
Neue Strukturen sind oft besser
als modifizierte alte
Ohne Hilfe "von oben" ist es zweifelhaft,
daß sich irgendetwas ändern wird. Wie dem auch sei, wenn sich
die Dinge ändern sollen, dann muß Hilfe von neuen Strukturen
kommen, die entstehen müssen, um die Ziele des dritten Sektors direkt
zu unterstützen. Finanzen, die indirekt kommen, durch bürokratisierte
und in Abteilungen gegliederte lokale Verwaltungssysteme oder durch Institutionen
des Arbeitsmarkts, die dem ersten Arbeitsmarkt Priorität geben, kollidieren
oft mit dem, was man erreichen möchte.
In Großbritannien ist das National
Charities and Lotteries Board ein Beispiel für eine Organisation,
die gewachsen ist, um den Bedürfnissen des gemeinnützigen Sektors
Rechnung zu tragen. Mehr und mehr hat es sich darum gekümmert, was
dieser Sektor braucht, und operiert doch in unmittelbarer Nähe der
Regierung. Leider sind seine Finanzquellen (die Einkünfte der Nationalen
Lotterie Großbritanniens) viel zu begrenzt. Die Bewerbungen um Mittel
aus diesem Fond sind etwa fünfmal so groß wie sie erfüllt
werden können. Und, ihre Programme werden auch nur für drei Jahre
gefördert. Jedoch können Organisationen wie diese, deren Personal
nicht aus Verwaltungsangestellten besteht, die ihre Rolle nicht verstehen,
ein geeignetes Modell sein, die Entwicklung im gemeinnützigen Sektor
zu finanzieren.
Aber woher könnte das Geld denn
nun kommen? Die überzeugendste und geeignetste Geldquelle würde
eine Umverteilung der Staatsausgaben sein. In Großbritannien werden,
laut einer Regierungsquelle, 20 Millionen Pfund an Steuergeldern dafür
ausgegeben, umweltschädliche Projekte in Industrie, Landwirtschaft
und Energiewirtschaft zu subventionieren. Zweifellos würde eine ähnliche
Rechnung für Deutschland ähnliche riesige Summen zutagebringen.
Natürlich wird man alle möglichen gerechtfertigten Interessen
vorbringen, um zu verhindern, daß diese Gelder anderswo eingesetzt
werden, und man würde auf die sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen
solchen Tuns hinweisen. Jedoch kann argumentiert werden, daß eine
weitere Subventionierung der ökologischen Zerstörung ein Bruch
des Vertrags von Rio ist - und eine Wirtschafts- und Sozialausgabe, oder
besser gesagt ein Wirtschafts- und Sozialverbrechen, das gegen zukünftige
Generationen verübt wird.
Noch radikaler, und daher auf lange
Sicht zu verfolgen, ist die Forderung, im vorherigen Kapitel erwähnt,
daß Schadenersatzklagen für ökologische Schäden auf
dem Einkommen der Rechtsverletzer und nicht dem der Opfer beruhen sollte
- und daß das Geld zur Bezahlung eines Teils dieser Schäden
in Gemeindefonds für Objekte zur Gemeindeentwicklung fließen
sollte, um Sozial- und Umweltschäden zu beheben.
Staatliche Unterstützung, Technik
und Strategien der Lokalentwicklung
Damit Empowerment-Projekte gedeihen
können, ist es weiterhin nötig, daß staatliche Unterstützungen
wie Sozial- und Arbeitslosenhilfe aktiv eingesetzt werden. Die Entwicklung
von Tauschbörsen beispielsweise wird in Großbritannien sehr
durch die Richtlinien, nach denen staatliche Unterstützung vergeben
wird, behindert; wenn auch nicht in anderen Ländern, wo ihr Wert besser
erkannt wird. Beteiligung an lokalen Projektinitiativen sollte als eine
Erweiterung der häuslichen Aktivitäten der Menschen betrachtet
werden, und daher den Anspruch auf "Stütze" nicht beeinträchtigen.
Sie sollte als eine legitime Alternative zur Arbeitssuche betrachtet werden.
Die Gefahr besteht darin, daß eine Mitarbeit in LETS-Systemen, wenn
sie groß genug sind, als Alternative zum Anspruch auf staatliche
Unterstützung gesehen werden und es zu einer Kürzung der Mittel
kommen kann, wenn es dort ein lokales LETS-Projekt gibt.
Es gibt weitere Gefahren wie diese.
Wenn ein Netz von Gemeinschaftsgärten, die eine Vielzahl von Bedürfnissen
bedienen, eine Zeitlang existiert, könnte das als Grund angesehen
werden, die staatliche Hilfe zu kürzen - du brauchst keine Unterstützung
mehr, werden sie sagen, du kannst in der Wirtschaftsgruppe deiner Gemeinde
mitarbeiten. In diesem Fall würde sich eine Dualwirtschaft herausbilden
- die Ökonomie der Multis, von Reichtum, Macht und seichten Ansprüchen,
die weiterhin Verschmutzung und Armut produziert - und die andere Ökonomie,
die Solidar-Ökonomie, die darum kämpft, die in der Macht-Ökonomie
verursachten Wunden zu heilen, parasitär dazu nutzt, die eigenen sozialen
und Umweltverpflichtungen zu erfüllen; Solidar-Ökonomie als ein
Mittel zum Kosten sparen. Auch dies hat bereits angefangen, Wirklichkeit
zu werden.
Zusammenfassung: Ein neuer Umgang
mit den "vertrackten Themen"
Zu der Zeit, wo ich dies geschrieben
habe, setzt sich in Großbritannien bereits die Ansicht durch, daß
es eine Reihe "vertrackter Themen" gibt, die der öffentliche Sektor
und der Staat nicht gut lösen können - teilweise, weil die Einrichtungen
der öffentlichen Hand so spezialisiert sind. (Der Ausdruck kommt von
Professor John Stewart.) Psychische Probleme, Zerfall von Gemeinden, Kriminalität
und Drogen kommen dort vor, wo sie von den traditionellen Einrichtungen
selbst nicht erreicht werden können. Neue Organisationen, entwickelt
von und für die Opfer der vertrackten Themen, können Wurzel fassen
und dort wachsen, so daß sie die Menschen befähigen, ihre eigenen
Probleme zu lösen und eigenmächtiger zu werden. In dem Maße,
wie sie das tun, werden sie wahrscheinlich ganz verschiedene Theorien,
Gedanken und Möglichkeiten des Problemverständnisses entwickeln.
Solche neuen Organisationen werden einen multifunktionalen Zuschnitt haben,
der eine ganze Menge von Problemen, die Einzelpersonen haben können,
gleichzeitig löst - ein Ort, wo machtlose Menschen ihre Probleme gemeinsam
lösen können, Freundschaft finden, Aktivitäten nachgehen
können, sich erholen können, Fertigkeiten erlernen, geringere
Lebenshaltungskosten haben und vielleicht später Beschäftigung
finden oder selbständig werden.
Natürlich können nicht alle
Spezialeinrichtungen des staatlichen Sektors ersetzt werden. Empowerment
von unten nach oben zu unterstützen bedeutet, sich in eine Ära
zu begeben, in der Spezialeinrichtungen einige ihrer Ressourcen an Menschen,
Finanzen und Material an Einrichtungen der Gemeinde transferieren, in multi-funktionale
Projekte, die in großem Maße von den Menschen, die bisher lokal
und national nichts erreichen konnten, ins Leben gerufen und entwickelt
werden können. Das Ergebnis wird ein viel komplexerer Gemeinschaftssektor.
Doch dort gibt es auch wirkliche Gefahren. Es ist nötig zu erkennen,
daß der dritte Sektor neue Geldquellen braucht und daß das
Geld von der Subventionierung ökologischer Katastrophen genommen werden
soll.
Eine ideale Entwicklung wäre
die Finanzierung eines Programms experimenteller Gemeinschaftsentwicklung
vom hier erwähnten Typ - eines Programms, wo die Lektionen und die
Erfahrung unabhängig voneinander bewertet werden sollten, um die besten
Wege zu Empowerment und einem ganzheitlichen Herangehen herauszufinden
und diese in die nächsten Projektprogramme einfließen zu lassen
und auch dazu zu nutzen, Strategien zu entwerfen, die mehr Initiativen
von unten nach oben unterstützen sollen.
Was wir auch immer tun, das Scherengewicht
und die verzerrende Masse der Macht-Ökonomie, ihr Denken und das selbstverständliche
Agieren ihrer Hauptspieler werden versuchen, das, was wir erreichen wollen,
in das Gegenteil dessen, was wir wollen, zu verkehren. Um dem zu widerstehen,
müssen die radikalen Vertreter des dritten Sektors über einen
langen Zeitraum hinweg einen Empowerment-Zeitplan erstellen, der bis hin
zur Umwandlung der Gesellschaft geht. Obwohl es in den frühen Empowerment-Stadien
nicht vernünftig ist, sich "in die Politik zu begeben", da dies nicht
die produktivste Art des Energieeinsatzes ist, ist es auf lange Sicht im
"Empowerment-Zeitplan" nötig, auf die Bildung von Politik und die
Politik selbst einigen Einfluß zu nehmen.
Das bedeutet nicht, wie es beim Kommunismus
der Fall war, zu versuchen, eine uniforme und zentralisierte Bewegung aufzubauen.
Noch weniger bedeutet es, sich unnötigerweise auf eine bewaffnete
Revolution vorzubereiten, welche in der modernen Welt zu einem nuklearen
Holocaust führen würde. Es bedeutet nicht, eine bestimmte politische
Partei zu unterstützen. Was es jedoch bedeutet, ist ein Kampf für
bestimmte Schlüsselprinzipien von Umwelt- und sozialer Gerechtigkeit,
eingebettet in rechtliche und institutionelle Veränderungen. Dieses
würde gleichzeitig die Entwicklung von Selbsthilfe- und Empowerment-Projekten
finanzieren und erleichtern und auch dazu dienen, die moralische Autorität
aller politischen und wirtschaftlichen Interessen zu untergraben, die die
Menschheit und alle anderen Arten auf unserem Planeten ins Verderben führt.
© BRIAN DAVEY